Ein Kommentar von Ron Weimann
Als die Nachricht vom Tod von Margot Friedländer veröffentlicht wurde, folgte kaum eine Stunde später das Erwartbare – unter den Beiträgen: Lach-Emojis.
Kein Einzelfall. In den sozialen
Netzwerken hat sich längst ein Muster etabliert: Wo es um menschliches Leid, um Tragödien, um Gedenken oder Anteilnahme geht, taucht wie aus dem Nichts das grinsende Gesicht auf.
Was einst als Zeichen für Humor gedacht war, ist heute oft Ausdruck von Zynismus, gezielter Verachtung – und in vielen Fällen ideologisch aufgeladen.
Selbst Facebook erkennt das Problem nicht oder will es nicht erkennen. Während man zur
Pandemiezeit den Umarm-Smiley als Zeichen von Mitgefühl einführte, bleibt das Lach-Emoji in seiner jetzigen Funktion unangetastet – auch wenn es längst zur digitalen Waffe gegen Menschlichkeit geworden ist.
Darüber lohnt es sich zu sprechen.
Wenn der Smiley lacht – und Menschlichkeit stirbt
Es ist nur ein Symbol. Gelb, rund, grinsend. Auf den ersten Blick harmlos, kindlich fast. Und doch steht es längst für etwas Abgründiges.
Das Lach-Emoji – eigentlich gemacht, um Freude oder Witz zu zeigen – taucht heute immer häufiger dort auf, wo Mitgefühl angebracht wäre. Unter Berichten über Geflüchtete, über Gewalt,
über Tote im Mittelmeer, über eine verstorbene Holocaust-Überlebende.
Ein Klick – und jemand
macht deutlich: Ich lache darüber. Ich lache euch aus. Ich lache, weil euer Schmerz mir nichts bedeutet.
Das ist keine Unreife. Es ist Bösartigkeit. Kalt. Kalkuliert. Und häufig politisch motiviert.
Schaut man genauer hin, erkennt man ein Muster. Die Emojis kommen oft von denselben Profilen, denselben Gesichtern – viele mit klarer Nähe zu rechten Gruppen. Sie benutzen das Lach-Emoji wie eine Waffe.
Kein Argument, kein Austausch, kein Interesse – nur Spott. Es geht nicht um Meinung.
Es geht um Verachtung. Um die gezielte Herabwürdigung von Menschlichkeit.
Was früher offene Hetze war, ist heute codierter Zynismus. Ein Smiley genügt – und man weiß, was gemeint ist.
Man könnte meinen: Es ist doch nur ein Symbol. Einfach ignorieren. Nicht wichtig.
Aber genau das ist das Problem. Denn jedes dieser Emojis ist ein digitaler Tritt nach unten.
Eine Botschaft:
Eure Empathie ist dumm. Euer Mitgefühl ist Schwäche. Euer Gedenken – lächerlich.
Und jedes Mal, wenn wir darüber hinwegsehen, geben wir ein Stück Öffentlichkeit auf. Ein Stück Anstand. Ein Stück Mitgefühl.
Wir dürfen das nicht normal finden. Nicht kleinreden. Nicht schweigend hinnehmen. Denn wenn das Lachen über das Leid zur Standardreaktion wird, dann ist das Netz nicht mehr nur unfreundlich
– dann wird es unmenschlich.
Und irgendwann ist das kein digitales Phänomen mehr.
Dann ist es Realität.