Leben am Rand: Überlebenskampf in Siebenbürgen
Mein Flug setzt pünktlich am späten Montagnachmittag in Sibiu auf, einer der ältesten Städte Siebenbürgens. Der Flughafen ist klein, modern, effizient. Draußen empfängt mich klare, kalte Luft, der rumänische Winter liegt über der Stadt. Kaum habe ich das Terminal verlassen, wartet bereits ein Taxi. Der Fahrer nickt mir kurz zu, verstaut mein Gepäck im Kofferraum, und wir tauchen in den dichten Feierabendverkehr ein.
Langsam versinkt die moderne Stadt in das weiche Licht der Dämmerung. Zwischen historischen Fassaden und modernen Neubauten flackern die ersten Lichter auf. In den Fenstern spiegeln sich die letzten Strahlen der untergehenden Sonne. Am Horizont leuchten die schneebedeckten Gipfel der Karpaten – eine stille, fast unwirkliche Kulisse.
Im Hotelzimmer lasse ich mich kurz aufs Bett sinken, greife dann nach meinem Telefon. Es ist Zeit, Jenny Rasche zu kontaktieren. Ihre Antwort kommt sofort: „Du kennst doch den LIDL in Șelimbăr, komm bitte morgen früh um 08:00 Uhr dorthin. Alex wird dich abholen.“
Ich lege das Telefon beiseite, trete ans Fenster. Die Stadt liegt ruhig da, nur vereinzelt ziehen Autos über das glänzende Kopfsteinpflaster. Ich ziehe mir meine Jacke über, trete nach draußen und zünde mir eine Zigarette an. Der Rauch mischt sich mit der kalten Luft, während ich an meine letzte Reise nach Rumänien denke. Es ist noch nicht lange her, doch ich ahne, dass diese Reise anders wird. Vielleicht, weil ich weiß, dass es noch vieles gibt, das ich sehen muss. Erleben muss.
Ein Morgen vor dem Supermarkt – Wenn Einkaufen zur Existenzfrage wird
Es ist kurz nach acht, und die Kälte hängt noch schwer in der Luft. Vor dem Supermarkt in der kleinen Stadt stehen die ersten Menschen dicht beieinander, atmen warme Luft in ihre Hände. Die meisten haben sich hier schon früh eingefunden, nicht aus Ungeduld, sondern aus Notwendigkeit. Denn heute ist der Tag, an dem sie Lebensmittel für die kommenden zwei Wochen besorgen können – mit Unterstützung der Kinderhilfe Siebenbürgen e. V.
Jeden Werktag begleiten die Mitarbeiter der Organisation Familien beim Einkauf. 486 Roma Familien, 2.100 Kinder insgesamt – sie alle sind auf diese Hilfe angewiesen. Die Menschen warten geduldig, bis sie an der Reihe sind. Drinnen wird ihnen ein Mitarbeiter zur Seite gestellt, der darauf achtet, dass der Einkauf möglichst lange reicht.
Vor dem Eingang begrüßen die Helfer die Wartenden. In ihren Händen halten sie Taschenrechner – eine unscheinbare, aber bedeutsame Geste. Denn hier zählt jeder Cent. Der Einkauf ist kein spontaner Griff ins Regal, sondern eine sorgfältige Planung. Ein Familienmitglied betritt den Laden, begleitet von einem Helfer, der beobachtet, berät, manchmal leise eingreift. „Tabak und Alkohol sind tabu“, sagt Szolt, einer der Mitarbeiter, während er ein wachsames Auge auf die Waren im Einkaufswagen hat. Manchmal zeigt er auf eine günstigere Alternative, rechnet vor, wie mit einem anderen Produkt mehr für die Familie herausspringt. Niemand nimmt es ihm übel – im Gegenteil. Jeder gesparte Euro kann anderswo für eine Mahlzeit mehr sorgen.
Die Summen sind knapp bemessen: Kleine Haushalte dürfen Waren im Wert von 80 Euro einkaufen, größere bis zu 160 Euro. Zwei Wochen müssen die Menschen damit über die Runden kommen. Viel ist das nicht, wenn die Preise in den Supermärkten denen in Deutschland gleichen – aber die durchschnittlichen Einkommen hier deutlich niedriger
sind.
Um all das möglich zu machen, braucht der Verein jeden Monat rund 75.000 Euro. Eine Summe, die sich kaum jemand der Wartenden hier vorstellen kann. Doch für sie ist dieser Einkauf nicht nur eine finanzielle Stütze. Er ist ein Moment der Würde, eine kleine Sicherheit in einem Alltag, der oft von Verzicht geprägt ist.
Während die nächsten Hilfesuchenden den Laden betreten wollen, zieht Szolt seinen Schal enger und nickt mir zu. „Jeder Euro zählt“, sagt er leise, bevor er sich wieder den Wartenden zuwendet.
Ein neuer Weg – Hilfe, wo sie am dringendsten gebraucht wird
Der Vormittag vergeht schnell. Als die letzten Familien den Supermarkt verlassen, kehrt für einen Moment Ruhe ein. Die Helfer treten beiseite, reiben sich die kalten Hände und blicken über den Parkplatz. „Ich glaube, das war es für heute“, lächelt Szolt.
Doch viel Zeit zum Durchatmen bleibt nicht. Szolt wirft einen Blick auf die Uhr. „Wir müssen los“, sagt er schließlich. Das nächste Ziel wartet – Țichindeal.
Doch diesmal geht es nicht um Lebensmittel, sondern um etwas ebenso Lebenswichtiges: Medikamente.
Hinter uns verblassen die Straßen von Sibiu, die Stadt weicht sanften Hügeln, doch schon bald wird die Landschaft karg und einsam. Die asphaltierte Straße wird schmaler, die letzten Häuser verschwinden aus dem Rückspiegel, und vor uns breitet sich eine fast endlose Weite aus. Ackerflächen ziehen sich bis zum Horizont, zwischendurch tauchen dichte Wälder auf. Kein Zeichen von Zivilisation – keine Dörfer, keine Haltestellen, keine öffentlichen Verkehrsmittel. Nur Felder, durchzogen von Wegen, und hier und da ein einsamer Baum, der sich gegen den Wind stemmt. Die Straße schlängelt sich weiter durch die Einöde, und schnell wird mir klar: Tichindeal ist ein abgelegenes Ziel, das nur mit dem eigenen Fahrzeug erreichbar ist.
Aktuell liegt kein Schnee, aber ich frage Szolt nach den Bedingungen für die Helfer, wenn die Straßen zugeschneit sind: „Es ist nicht einfach, aber auch nicht unmöglich, durchzukommen. Mit dem Transporter dauert es manchmal etwas länger – und ein bisschen Glück braucht man auch.“
Ich schaue durch die Windschutzscheibe nach draußen und sehe den kleinen Ort auf uns zukommen: „Ist hier nicht auch ein Bärengebiet?“ Szolt sieht mich an: „Ja, auch das.“
Bald weichen asphaltierte Wege schlammigen Pfaden, an deren Rändern sich kleine Hütten aneinanderdrängen. Wellblechdächer, schiefe Türen, Fenster, die mit Plastikplanen notdürftig abgedichtet sind. Das Tauwetter hat die Wege in zähen Morast verwandelt. Jeder Schritt erfordert Kraft, der Boden saugt die Schuhe fest, als wolle er uns zwingen, langsamer zu gehen, alles bewusster wahrzunehmen.
Die Sonne scheint freundlich vom Himmel herab, wirft lange Schatten auf den morastigen Boden. Doch dieser Ort bleibt trostlos – Stille liegt in der Luft, beklemmend. Keine spielenden Kinder, kaum Stimmen. Nur das gelegentliche Knarzen einer Tür, das Klappern von Eimern – und immer wieder das raue Bellen streunender Hunde.
Die Grippewelle, die derzeit durch Rumänien zieht, hat auch hier viele Familien getroffen. Die Hospitäler sind überfüllt, Medikamente sind für viele Menschen unerschwinglich. Wer kein Geld hat, bleibt sich selbst überlassen.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verlieren keine Zeit, öffnen Taschen, holen
Fieberzäpfchen, Hustensaft, Antibiotika hervor – alles, was die schlimmsten Symptome lindern kann. Eine Mutter nimmt zitternd ein Fläschchen in die Hand, drückt es an ihre Brust, als halte sie einen Schatz. In ihren Augen spiegeln sich Erschöpfung und Erleichterung zugleich. Tabita beugt sich zu ihr, spricht ruhig, erklärt mit sanfter Stimme, wie die Medikamente einzunehmen sind.
Wir gehen von Haus zu Haus. Die Türen sind oft nur angelehnt, dahinter gedämpfte Stimmen, dunkle Innenräume. Tabita spricht leise, aber eindringlich, erzählt von den Schicksalen der Menschen hier. Szolt übersetzt für mich ins Englische – manchmal hält er kurz inne, atmet tief durch, bevor er weiterspricht. Die Geschichten sind voller Schmerz, voller verlorener Hoffnungen – und doch auch voller Widerstandskraft. Menschen, die jeden Tag kämpfen, ohne zu wissen, was der nächste bringt. Das Lächeln derer, die morgens noch durch den Supermarkt gegangen sind, ist verschwunden. Die kurze Erleichterung des Einkaufs ist längst der Sorge um die Kranken gewichen, der Angst vor dem Morgen. Hier zählt nicht mehr, was nächste Woche sein wird.
Wir betreten ein kleines Häuschen. Auf der Couch liegt ein Mann – kräftig gebaut, vielleicht Mitte vierzig. Sein Gesicht ist vergraben in seinen Händen, die Schultern beben leicht.
Seine Frau steht daneben, spricht auf Tabita ein, ihre Stimme ist drängend. Ich verstehe kein Wort, doch die Verzweiflung ist greifbar. Ich trete einen Schritt zurück, möchte nicht stören, nicht fragen. Ich warte ab – doch dann hält man mir plötzlich ein Telefon vors Gesicht. Eine Geste, die keine Erklärung braucht. Ich blicke auf den kleinen Bildschirm – ein Video beginnt. Das, was ich sehe, ist erschreckend. Es dauert einen Moment, bis mein Verstand begreift, was da gerade passiert.
Ein Baggerfahrer schaufelt Müll, während ein Arbeiter rollende Container darunter platziert. Sekunden verstreichen, alles wirkt routiniert – bis zu diesem Moment. Die Schaufel senkt sich, zu früh, zu schnell. Der Mann darunter hat keine Chance. Schreie. Hände, die nach ihm greifen. Panik. Ein verzweifelter Versuch, ihn herauszuziehen. Ich starre auf den Bildschirm, dann zu dem Mann auf der Couch. Jetzt weiß ich, warum Tabita im Auftrag der Kinderhilfe Siebenbürgen hier ist.
Die Not der Familie ist jetzt groß. Sie warten auf Diagnosen, wissen nicht, was auf sie zukommt – nur, dass sie die Kosten allein tragen müssen. Der Arbeitgeber? Zieht sich aus der Verantwortung, streitet jede Schuld ab. Der Baggerfahrer? Hatte nachweislich Alkohol im Blut. Doch für die Familie ändert das nichts. Kein Geld. Keine Hilfe. Nur die Angst vor dem Morgen. Die Sache wäre für deutsche Verhältnisse relativ simpel, hier in Rumänien sieht es für Roma allerdings ganz anders aus. Die Kinderhilfe wird helfen, doch in welcher Form, ist noch ungewiss. Klar ist nur: Der Weg wird lang, und es wird Monate dauern, bis sich etwas verändert.
So geht fast im Minutentakt, das Leid der Menschen in seiner Dichte und Intensität trifft mich mit einer Wucht, die mich fast überrollt. Während Szolt und Tabita sich geduldig Notizen machen und den Menschen seelischen Beistand leisten, wird mir immer wieder bewusst: Es gibt unendlich viele Verletzungen – nicht nur jene, die sichtbar sind. Doch zwischen all den Verletzungen – den sichtbaren und den unsichtbaren – gibt es auch Wege, um zu heilen.
Zwischen Leid und Hoffnung: Die Kraft des Sports
Das kleine Fitness-Studio ist einfach ausgestattet, und doch genau hier entsteht etwas
Großes. An den Wänden hängen Bildern mit Sportlern, die Wände sind verspiegelt, auf Regalen stapeln sich Hanteln. Hier werden keine Spitzensportler geformt – hier geht es um wesentlich mehr. Um Selbstvertrauen, Mut und den Willen, nie aufzugeben.
Gerade benachteiligte Kinder brauchen Selbstvertrauen, innere Stärke und positive Erlebnisse. Durch Sport erfahren sie, was es heißt, sich selbst zu überwinden, Ziele zu erreichen und an sich zu glauben. Erfolgserlebnisse stärken ihr Selbstbewusstsein, während körperliche Aktivität hilft, Stress abzubauen und innere Anspannung zu lösen. Gerade in der Gemeinschaft erfahren sie Zusammenhalt und Unterstützung – und spüren: Ich kann das wirklich schaffen!
In verschiedenen Kursen, immer etwa 60 Minuten lang, trainieren die Kinder ihre Fitness, ihre Kraft und auch Kickboxen – unabhängig von Alter oder Erfahrung. Sie schnüren ihre Boxhandschuhe fest, schlagen gegen Pratzen, ihre Bewegungen werden mit jedem Training präziser, kontrollierter. Das dumpfe Auftreffen der Fäuste auf die Polster vermischt sich mit dem rhythmischen Atmen und den klaren Anweisungen des Trainers.
Ein Mann, der all das möglich macht, ist Victor Gancea. Fitnesstrainer, Kampfsportler – und vor allem: Ehrenamtlicher. Mit unermüdlichem Einsatz steht der 31-jährige, der hauptberuflich als Polizeibeamter arbeitet, mehrmals pro Woche in der Halle, ohne dafür auch nur einen Cent zu bekommen. Er investiert seine Zeit, seine Energie und sein Wissen in die Kinder, weil er an sie glaubt. „Nicht aufgeben, immer weiter!“, ruft er einem Jungen zu, der gerade seinen letzten Satz Liegestütze absolviert. Der Junge zögert, seine Arme zittern – doch er beißt die Zähne zusammen, stemmt sich mit aller Kraft nach oben. Victor nickt ihm anerkennend zu.
Seine Hingabe geht weit über das Training hinaus. Er ist nicht nur Trainer, sondern auch Vorbild, Zuhörer, Motivator. Er korrigiert nicht nur Bewegungen, sondern stärkt auch die Psyche der Kinder. Die Jüngsten suchen immer wieder seine Nähe, fühlen sich durch seine positive Energie bestärkt. Für sie ist er weit mehr als nur ein Sportlehrer – er ist jemand, der ihnen zeigt, dass sie etwas wert sind.
Sport gibt diesen Kindern nicht nur Kraft, sondern auch Hoffnung. Jede Trainingseinheit ist ein Schritt in eine selbst bewusstere Zukunft, in der sie lernen, Herausforderungen zu meistern und ihr eigenes Potenzial zu erkennen. Doch all das wäre ohne Menschen wie Victor nicht möglich. Sein Ehrenamt verändert Leben.
Grenzgänge
Am Nachmittag begleite ich Tabitha nach Turnu Roșu. Wir wollen dort Szolt und Georgiana treffen, die neue Sozialarbeiterin der Kinderhilfe Siebenbürgen e.V.
Es ist ein stiller, kalter Tag, und je weiter wir uns vom Dorf entfernen, desto mehr verändert sich die Szenerie. Die gepflasterten Straßen weichen einem unebenen Weg, der sich den Hang hinaufzieht. Links und rechts stehen einfache Hütten, eng aneinandergeschmiegt, als müssten sie sich gegenseitig stützen. Die Roma-Siedlung liegt abseits, unsichtbar für die meisten, abgeschieden vom Rest der Welt.
Kaum fließendes Wasser, wenig Strom, die Dächer notdürftig geflickt. Hinter Fenstern huschen Schatten, neugierige Blicke verfolgen uns. Hier, wo die Zeit stehen geblieben zu sein scheint, kämpfen die Menschen täglich ums Überleben.
Wir waren schon einmal hier. Damals brachten wir Feuerlöscher, ein kleiner Tropfen auf einen heißen Stein. Heute ist es ein Notruf, der uns herführt.
Ein schmales Tor, eine versteckte Hütte, noch kleiner als die anderen, kaum mehr als vier Wände und ein Dach. Der Eingang ist dunkel, drinnen kein Laut. Doch mit jedem Schritt, den wir näherkommen, wird spürbar, dass hier eine Grenze liegt – nicht nur aus Armut, sondern aus tiefer Verzweiflung. Innerhalb von Sekunden zeigt sich: Dies ist einer dieser Orte, an dem selbst die erfahrensten Helfer an ihre Grenzen kommen können.
Als wir die kleine Hütte betreten, schlägt uns sofort eine bedrückende Enge entgegen. Der Raum ist dunkel, nur ein schmales Fenster lässt ein wenig Licht hinein. Überall stapeln sich Dinge – Kleidung, alte Möbelstücke, leere Behälter. Der Boden ist kaum noch zu erkennen, das Chaos scheint alles zu verschlingen. Ein schwerer, abgestandener Geruch liegt in der Luft.
Inmitten dieser Enge sitzt Aurelia, 84 Jahre alt, ihr Körper gezeichnet von einem harten Leben. Doch in ihren Augen liegt eine unerschütterliche Kraft. Vor vielen Jahren nahm sie Filofteia auf, ein Mädchen ohne Eltern. Jetzt, Jahrzehnte später, steht Filofteia erneut vor ihrer Tür – geschlagen, verzweifelt, mit ihrer kleinen Tochter an der Hand. Und trotz ihrer eigenen Not hat Aurelia sie aufgenommen.
Doch das, was einst ein Zuhause war, ist längst zu einer Herausforderung geworden. Armut, Überforderung und Perspektivlosigkeit haben die Enge und das Chaos nach und nach in jeden Winkel dieser Hütte kriechen lassen. Hier kämpft eine Familie nicht nur ums tägliche Überleben, sondern auch darum, ein wenig Ordnung und Halt inmitten schwieriger Umstände zu bewahren.
Das Team der Kinderhilfe Siebenbürgen zögert keine Sekunde. Während Tabita und Giorgiana sich mit Aurelia und Filofteia zusammensetzen, um ihre dringendsten Bedürfnisse zu klären, holt Szolt sein Notizbuch hervor, notiert Details, macht Fotos für die Bestandsaufnahme. Es geht nicht nur darum, was heute gebraucht wird – sondern darum, wie nachhaltige Hilfe aussehen kann. Gibt es einen Weg, die Wohnsituation zu verbessern? Welche Unterstützung braucht Filofteia, um ihre kleine Tochter versorgen zu können? Welche Hilfsmaßnahmen lassen sich kurzfristig umsetzen?
Die Fragen sind drängend, die Antworten nicht immer einfach. Doch eines ist klar: Die Kinderhilfe wird hier nicht einfach wieder wegfahren und die Familie sich selbst überlassen. Diese Besuche sind oft der erste Schritt, um langfristige Veränderungen anzustoßen. Doch bis es so weit ist, zählt jeder Moment, jede noch so kleine Hilfe.
Wo einst die Hütten standen
Wir befinden uns auf dem Rückweg nach Sibiu, als Tabita mir sagte, ich müsse unbedingt noch ein Foto machen – ich solle mir ansehen, was Jenny und ihr Team in den letzten Jahren geleistet hat.
Wir halten in einer kleinen Kurve, ich steige aus. Ich sehe eine kleine Wohnsiedlung in Altana, bunte Dächer reihen sich auf einen kleinen Hügel. Und jetzt sehe ich es, die kleinen Puzzleteile die plötzlich ein großes Bild ergeben. 45 Häuser sind aus dem Elend herausgewachsen, 45 Häuser, die ein Zuhause für über 200 Kinder geschaffen haben.
Während ich dort stehe und die bunten Dächer betrachte, wird mir bewusst, was hier über die Jahre entstanden ist. All die Mühe, all die Kämpfe – sie haben etwas verändert. Und niemand könnte es besser in Worte fassen als Jenny selbst:
„Ich bekomme immer eine Gänsehaut, wenn ich die Romasiedlung in Altana von Weitem sehe…manchmal kann ich es kaum glauben. Zusammen mit vielen Menschen, die nicht mehr akzeptieren wollten, dass andere Menschen in Lehmhäuschen leben und ihre Kinder großziehen müssen.
Menschen, die innerlich die Größe erreicht hatten, über sekundäre Effekte der Armut hinwegzusehen …viel weiter zu schauen um die eigentlichen Ursachen dieses Leides zu ergründen und zu beheben. Wohl wissend, das jedes Kind dieser Erde einen sicheren und schönen Platz für seine Kindheit verdient. Wir haben gemeinsam 45 Häuser gebaut und somit ein Zuhause für über 200 Kinder geschaffen.
Und immer dann, wenn ich verzweifelt bin, dann schaue ich mir diese Bilder an. Sie sind das Zeugnis von Menschlichkeit an Orten, an denen wir uns alle in Liebe gefunden haben -wo einst die Hütten standen.“
Sibiu, Rumänien – Januar 2025
Foto/Reportage: Ron Weimann