So geht es nicht mehr weiter!“, hieß es in einem Aufruf zur Kundgebung unter dem Motto „NRW bleib sozial“ vor dem Düsseldorfer Landtag am Donnerstag. Die Freie Wohlfahrtspflege NRW prangerte an, dass soziale Einrichtungen kaputtgespart würden. Die Folge laut dem Verband: Reduzierung von Öffnungszeiten, Schließung von Angeboten und drohende Insolvenzen. „Die Politik scheint die Augen vor gesellschaftlichen Realitäten zu verschließen. Die gesellschaftlichen Herausforderungen werden nicht weniger, sondern mehr. Eigentlich bräuchte die soziale Infrastruktur mehr Unterstützung. Doch der Bund kürzt massiv, freiwillige Leistungen der finanzschwachen Kommunen brechen weg und im Landeshaushalt bilden sich die Preissteigerungen nicht ab oder es wird gar gekürzt“, mahnte Christian Woltering, Vorsitzender der Freien Wohlfahrtspflege NRW, an.
Mehr als 20.000 Menschen aus allen sozialen Einrichtungen NRWs folgten dem Aufruf, auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Kreis Heinsberg. Mit Bussen und Zügen reisten Angestellte der Arbeiterwohlfahrt (AWO) nach Düsseldorf, um gegen die Kürzungen im Sozialbereich zu demonstrieren.
Andreas Wagner, Geschäftsführer des Kreisverbandes der AWO Heinsberg, fühlt sich von der Politik im Stich gelassen: „Wir sind als Träger von sozialen Dienstleistungen von den Strukturen, die in der Politik geschaffen werden, weitestgehend abhängig. Die Fehler aus der Vergangenheit lassen sich natürlich nicht ad hoc lösen, ich erwarte aber schon, dass die Politik uns mit unseren Problemen, die wir haben, und größtenteils aufgrund von Versäumnissen in der Vergangenheit erst so groß geworden sind, nicht alleine lässt.“
Gemeint sind zum Beispiel Berufsfachschulen. Ihre Situation wird von den privaten Trägern als äußerst schwierig bezeichnet. Ein Mangel an Lehrkräften in Berufsfachschulen führt zu einem Mangel an Klassen und somit zu einem Defizit an frisch ausgebildeten Erziehern für Kindertagesstätten. Dies hat zur Folge, dass es in den betroffenen Regionen zu einem Mangel an Betreuungsangeboten kommt und dementsprechend Kinder unzureichend versorgt werden. Diese Situation überlastet daher nicht nur die Bildungseinrichtungen und Eltern, sondern hat auch belastende Auswirkungen auf die Arbeitswelt.
Schwierigkeiten für die Aufrechterhaltung der Pflege sieht auch Astrid Frese, Einrichtungsleiterin des AWO-Altenzentrums in Heinsberg. Denn die Gesetzesreform konnte nur wenig am grundlegenden Pflege-Problem ändern: Der Mangel an Fachkräften in der Pflege, gepaart mit einer steigenden Anzahl von Pflegebedürftigen, ist ein drängendes Problem.
„Trotz des hohen Einsatzes und der Verantwortung, die unsere Pflegekräfte täglich tragen, stellt die angemessene Vergütung eine immer größere Herausforderung dar. Die derzeitigen Vergütungsmodelle reflektieren oft nicht den tatsächlichen Arbeitsaufwand und die Qualifikation der Pflegekräfte. Diese Problematik beeinträchtigt nicht nur die Motivation und Zufriedenheit unserer Mitarbeiter, sondern trägt auch zur anhaltenden Knappheit an qualifiziertem Pflegepersonal bei“, betont Frese.
Drei Wohlfahrtsverbände schlugen bereits Alarm, angesichts der möglichen Auswirkungen geplanter Sozialkürzungen im Bundeshaushalt. Sie betonten, dass viele soziale Dienstleistungen gefährdet seien, da die gestiegenen Kosten nicht angemessen ausgeglichen werden könnten. Diese Bedenken wurden von der Arbeiterwohlfahrt (AWO), Diakonie Deutschland und dem Paritätischen Wohlfahrtsverband geäußert und basieren auf den Ergebnissen einer landesweiten Umfrage bei etwa 2.800 gemeinnützigen Organisationen und Einrichtungen. Trotz wachsender Nachfrage müssten vielerorts bereits Angebote und Hilfen eingeschränkt oder sogar ganz eingestellt werden, hieß es. Die Verbände appellieren dringend an den Bund, von den geplanten Haushaltskürzungen Abstand zu nehmen. Stattdessen wird ein koordiniertes Vorgehen von Bund, Ländern und Kommunen gefordert, ebenso wie eine Neuausrichtung in der Steuer- und Finanzpolitik.
Die Verbände kündigten an, sich zukünftig mit weiteren Aktionen gegen geplante Kürzungen im sozialen Bereich wehren zu wollen.
Foto / Bericht:
Ron Weimann