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Der Klimawandel stellt eine der größten Herausforderungen unserer Zeit dar, und es ist von entscheidender Bedeutung, dass die Bemühungen zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen verstärkt werden müssen. Im Rahmen dieser Bestrebungen wurde der Reviervertrag 2.0 entwickelt, um die Energiewende in den regionalen Kohlerevieren voranzutreiben.
Der Reviervertrag 2.0 und die damit geplante Unterstützung des Strukturwandels in der Braunkohlenregion sind aber auch Gegenstand von Kontroversen und Diskussionen. Ein Bündnis aus Klimaaktivist*innen, Umweltverbänden und kirchlichen Gruppen fordert eine Neuausrichtung der Klimaschutzpolitik und einen Strukturwandel unter echter Beteiligung der Zivilgesellschaft.
Mit einem 30 mal 15 Meter großen Straßenbild „1,5 Grad-Ziel statt Kohle-Deal“ protestierte das große Bündnis heute in Düsseldorf in direkter Nähe zur Staatskanzlei.
Die Forderungen beinhalten, dass die Weichen in der neuen Leitentscheidung für eine Einhaltung der 1,5 Grad-Grenze des Pariser Klimaabkommens gestellt werden müssen. Zudem bemängelte das Bündnis, das es kein Mitspracherecht für die betroffenen Bürger*innen gibt.
 Konkreter Anlass war die heutige Unterzeichnung des Reviervertrags 2.0, mit dem der Weg für den Strukturwandel in der Braunkohlenregion geebnet werden soll.
„Wir sind auf dem richtigen Weg, aber wir brauchen mehr Tempo“, bekräftigte NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) bei der Unterzeichnung. Den vom Strukturwandel betroffenen Beschäftigten sicherte er dabei Unterstützung zu: „Niemand fällt ins Bergfreie!“. “Mit dem Kohleausstieg bis zum Jahr 2030 leiste das Rheinische Revier einen herausragenden Beitrag zum Klimaschutz“.

„Dieser Reviervertrag ist nicht unserer“, erklärte hingegen Dirk Jansen vom BUND in NRW. „Die ganze aufgefahrene Politprominenz und die bunten Bilder von der Unterzeichnung können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Weichenstellungen nicht ausreichen, um das Braunkohlenrevier zukunftsfähig aufzustellen. Weder der Klimaschutz noch die Transformation zu einer nachhaltigen grünen Wirtschaftsregion werden so gelingen. Es spricht auch für sich, dass die Zivilgesellschaft wie üblich weitgehend außen vor bleibt. Es wird eine Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern an der Zukunftsgestaltung der Region simuliert, die es de facto nicht gibt.“

Alexandra Brüne von der Initiative “Alle Dörfer bleiben“ sprach nicht nur als Klimaaktivistin, sondern vor allem aus der Sicht einer Bewohnerin des rheinischen Braunkohlereviers:

“Der Reviervertrag und die kommende Leitentscheidung werden starken Einfluss auf die Lebensbedingungen von uns Menschen im rheinischen Revier haben. In der Vergangenheit haben wir Bürger*innen der Tagebauregionen starke Einschränkungen unserer Lebensqualität erfahren müssen. Sei es durch Lärm und Staubbelästigung sowie durch wegfallende Infrastruktur, wie jetzt bei der Landstraße L 12. Schlimmer noch ist aber die psychische Belastung, mit ansehen zu müssen wie Nachbardörfer zerstört werden. Oder die jahrelange Ungewissheit, ob unser Zuhause bestehen bleiben. Und nicht zuletzt die Zerrissenheit unserer Dörfer – kämpfen und bleiben oder umsiedeln? Ohne die RWE sein dreckiges Geschäft nicht machen könnte. Unsere Erfahrungen als Bürger*innen sind, dass wir an letzter Stelle kommen. Dass wir kein Mitbestimmungsrecht haben. Das befürchten wir auch weiterhin. Was wird aus den gerettet Dörfern? Wer bestimmt? Wir sind es gewohnt, dass Konzerne wie RWE und Politiker*innen über unsere Köpfe hinweg entscheiden und nicht kompromissbereit sind. Das sieht man am Beispiel der Landstaße L12 ganz besonders: Eine Straße die zwei Dörfer verbindet, die beide nicht dem Tagebau zum Opfer fallen sollen, soll jetzt noch unwiederbringlich zerstört werden. Auf dem Weg zur Arbeit, bzw. zur Autobahn, zum Bäcker oder Kindergarten muss ein Umweg von 14 km in Kauf genommen werden. Weder die Stadt Erkelenz noch Landesregierung setzt sich hier für die Interessen ihrer Bürger*innen ein. Dabei geht es nicht mal mehr um Kohle, sondern um die Verfüllung von Garzweiler I. Die Regierung hat die Möglichkeit, die stillgelegte Grube Garzweiler I zu einem Biotop umzufunktionieren, wodurch hunderte Millionen Tonnen Abraum eingespart werden würden. RWE zerstört dabei nicht nur benötigte Infrastruktur, sondern auch wichtige Ackerflächen und sieben Windräder sollen der Kohle geopfert werden. Welches Bild sendet Deutschland in die Welt hinaus, wenn mitten in der Klimakrise Windräder für den Tagebau abgerissen werden? Wir fordern eine Politik, die die 1,5 Grad-Grenze einhält und die Interessen ihrer Bürger*innen vertritt. Wir werden weiterhin widerständig sein und uns der Zerstörung in den Weg stellen. Wir werden weiterhin der Politik auf die Finger schauen und RWE in die Suppe spucken. Wenn Politiker*innen diese Verantwortung nicht übernehmen, dann tun wir es.“

Marie-Theres Jung (Diözesanrat der Katholik*innen im Bistum Aachen): „Wir erwarten von unserer Landesregierung eine verantwortungsbewusste Politik. Diese Politik darf sich nicht am Wirtschaftswachstum und Wohlstand der Gegenwart orientieren, sondern muss Verantwortung für die nächsten Generationen wahrnehmen. Ein Reviervertrag hätte gemeinwohlorientiert und mit Beteiligung der Menschen aus der Region aufgestellt werden müssen. Dies ist so nicht geschehen, deshalb lehnen wir den Vertrag ab. Die Chance eine Leitentscheidung aufzustellen, die ökologisch und ressourceneffizient an den Bedürfnissen der dort lebenden Menschen und Lebewesen orientiert ist, darf nicht vertan werden. Wir sind es den zukünftigen Mitmenschen schuldig.“

Pauline Brünger (Fridays for Future): “Bei der neuen Kohle-Leitentscheidung orientiert sich die Landesregierung aktuell einzig und allein an dem dreckigen Kohle-Deal mit RWE, wegen dem Anfang des Jahres schon Lützerath geräumt werden musste, und verliert das Pariser Klimaschutzabkommen vollkommen aus den Augen. Weitere 280 Millionen Tonnen Kohle alleine im Tagebau Garzweiler abzubaggern und dafür in diesem Sommer sogar Windräder abzureißen ist klimapolitischer Wahnsinn. Wir tragen unsere Botschaft deswegen heute in direkte Sichtweite des Wirtschaftsministeriums und der Staatskanzlei: 1,5-Grad-Ziel statt Kohle-Deal!“

Es bleibt abzuwarten, wie sich die Umsetzung des Vertrags in den kommenden Jahren gestaltet und ob die Ziele erreicht werden können.

Foto / Bericht:
Ron Weimann

By CUH